Is there anybody out there? Worauf es beim Active Sourcing ankommt

In einer Sprechblase steht "hello"

Active Sourcing gilt als vielversprechende Lösung des Personalmangels. Worauf es ankommt, womit Arbeitgeber bei Talenten punkten oder auch verliere können, darüber sprechen wir mit einem ausgewiesenen Experten der Branche.

Xing und LinkedIn sind die einzigen Haifischbecken, die blutrot sind. Alle Haie sind unterwegs, beißen wild um sich, versuchen, sich ein Talent zu schnappen.

Das Zitat stammt von Holger Fuhrmann, Personalberater mit mehr als 20 Jahren Active Sourcing Erfahrung. Er beschreibt, wie auf nur zwei Plattformen, Xing und LinkedIn, händeringend nach Talenten gefischt wird.

Porträt von Personalberater Holger Fuhrmann

So wie der Bedarf an kompetenten Fach- und Führungskräften gestiegen ist, hat sich auch die Zahl der Haie (Personaler, Recruiter, Personalberater und -vermittler*Innen) erhöht. Sie sind unterwegs, um sich das ein oder andere Talent zu schnappen. Das führt dazu, dass sich mehr und mehr ‚Fische‘ verstecken bzw. nicht rühren.

 

Job-Angebote auf dem Niveau von Werbe-Spam

Anders als in den Anfangsjahren, als man 100 Talente anschrieb und 80 % Feedback erhielt, kommt man heute kaum noch über 9 % hinaus.
Warum? Weil es schlecht gemacht ist.

Ein Szenario: Sie (Arbeitnehmer*In) sind seit zwanzig Jahren in einem internationalen Pharmakonzern in München tätig, mittlerweile als Teamleiter*In. Und finden eine Nachricht in Ihrem LinkedIn Postfach mit dem Angebot nach Lübeck zu kommen, in ein mittelständisches Chemieunternehmen, als Junior … Das Ganze in „Du“-Form.
Wahrscheinlich löschen Sie die Nachricht. Und wollen nie wieder etwas von dem Absender hören.
Ein Mitarbeiter sitzt in Arbeit vertieft vor seinem aufgeklappten Laptop
Berater, Recruiter, Personaler*Innen schreiben mitunter Leute an, ohne das Profil vorher angeschaut zu haben. Nur, weil eine Person ein bestimmtes Stichwort im Profil hat.
Wie geht es besser?

Genau hinschauen

Active Sourcing heißt – leider – auch: Ein Sourcer sucht in einem sozialen Netzwerk nach einem Teamleiter Kreditorenbuchhaltung und die Maschine spuckt über die Suchmaske 2.500 Treffer aus. Wer die Suchkriterien genau definiert und unterschiedliche Schreibweisen prüft, kann die Anzahl der Kandidat*Innen, die in Frage kommen, eingrenzen.
Dann geht die Arbeit lost: Profile studieren, lesen, nach relevanten Details scannen.
Zwar gibt es sogenannte CV Parsing Systeme, also Software, die Profile automatisch durchsucht. Doch scheitern die oft an Formatierungen, denn jeder bereitet seinen CV anders auf. Bei LinkedIn geht es in der Regel am besten, sofern viele Informationen preisgegeben werden.
Es gibt Personen, die verraten viel und es gibt solche, die verraten wenig. Aufgabe von Sourcern ist es, aus dem, was da ist, Schlüsse zu ziehen. Das geht nur, wenn man Zeit und Hirn und Herz investiert. Nach ein paar Stunden raucht einem da schon Mal der Kopf, so Fuhrmann, der seit mehr als zwanzig Jahren im Geschäft ist. Es gebe keine Abkürzung.
Sind Kandidat*Innen identifiziert, gibt es zwei Wege: den direkten / mündlichen und die schriftliche Kontaktaufnahme.

Der Königsweg (heute): das Telefon

„Eine Nachricht über ein soziales Netzwerk ist nicht der schlechteste Weg zu jemanden, doch das gesprochene Wort lässt sich niemals toppen“, so Experte Fuhrmann.
Manchmal geht es nur über LinkedIn oder Xing. Vorher sollte man jedoch prüfen: geht es auch direkter?

Die logische Reihenfolge für eine Kontaktaufnahme:

  1. Das persönliche Gespräch (von Angesicht zu Angesicht)
  2. Das Video-Meeting (per MS Teams, Zoom o.ä.)
  3. Das Telefonat
  4. Die private E-Mail
  5. Die geschäftliche E-Mail kritisch, da Nachrichten ggf. auch von Kolleg*Innen gelesen werden
  6. Eine Nachricht über ein soziales Netzwerk

Kandidat*Innen wollen kontaktiert werden. Es ehrt ja auch, wenn man das Gefühl bekommt, begehrt zu sein.
“Human to Human“ ist der beste Weg. Sofern es recherchierbar ist, sollten Sourcer zum Telefon greifen. Vor allem jetzt, nach diversen Lockdowns, dürsten die Menschen nach persönlichem Kontakt.
„Guten Tag Frau/Herr …, darf ich Sie kurz stören? … Ich falle gleich mit der Tür ins Haus: ich bin ein Headhunter. Ich bin auf der Suche nach …. Kann das eventuell für Sie interessant sein? Mein Vorschlag: Ich sende Ihnen meine Kontaktdaten sowie ein ausführliches Positionsprofil an Ihre private Mailadresse und dann tauschen wir uns gerne abends oder am Wochenende dazu aus. Sind Sie damit einverstanden?“
Beziehen Sie sich auf die Erfahrung des Kontaktierten: Wer hört es nicht gern, dass er in etwas richtig gut oder sogar ein Experte ist? Beschreiben Sie in ein paar Sätzen Ihr Angebot, und worin der Mehrwert für das Talent liegt: Warum ist dieses Angebot das beste und weshalb lohnt sich ein Wechsel? Diese Fragen sollten in jedem Fall beantwortet werden. Bieten Sie ein ausführliches Positionsprofil und/oder ein unverbindliches Gespräch an.
Die Erfahrung, so Holger Fuhrmann, zeige, dass viele, die sagen, sie seien „eigentlich“ nicht interessiert, am Ende doch mit dem Berater ins Gespräch gehen. Auf die Frage, was „eigentlich“ denn heißt, fällt vielen Angesprochenen ein, dass ein Wechsel durchaus in Frage kommt.

Empathie zeigen

Wer nicht zum Hörer greifen kann oder will, der schreibt eine Nachricht, etwa über LinkedIn. Vorher gilt es Hausaufgaben zu erledigen: das Profil des Talents genau zu studieren.
Sourcer müssen in der Lage sein, auf das Profil einzugehen, Rückschlüsse zu ziehen, zum Beispiel so:
Sie (als Sourcer) entnehmen einem Profil, dass die Person, die Sie gewinnen wollen, in München arbeitet und in Hamburg studiert hat. Sie haben ein Angebot in Hamburg und integrieren in Ihre Ansprache. „… Haben Sie Lust zurückzukommen in die Stadt, in der Sie studiert haben?“
Die Nachricht muss signalisieren: Sie haben sich mit dem Talent beschäftigt.
Die Kandidatin/der Kandidat sieht, dass man sich mit ihr/ihm auseinandergesetzt hat. Das macht den Unterschied. Auf Standardnachrichten hat niemand Lust.
Festzuhalten ist: Wer Wertschätzung zeigt, erzielt eine höhere response rate.
Festzuhalten ist auch: Selbst wenn Sie Ihre Ansprache individuell und auf den Punkt formulieren: Die Chance, eine Antwort zu erhalten, ist gering. Das liegt schlicht an der Menge schlechter Anfragen, die zirkulieren. Hinzu kommt: Eine Response heißt nicht, dass sie positiv ausfallen muss.
Wie es weitergeht, das erfahren Sie in einem anderen Artikel. Der wird sich unter anderem mit guten Anforderungsprofilen beschäftigen.

 

Holger Fuhrmann ist Active Sourcing Experte und Geschäftsführer von Pharecon

Tags: recruiting, sourcing
vom 09.04.2021 / © VonVorteil